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Newsarchiv

26.03.2019

PiA, was willst du denn?

Ich kämpfe seit meinem Psychologiestudium in der Berufspolitik für die Reform der Ausbildung für psychologische PsychotherapeutInnen und Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen. Denn im Moment ist es noch so, dass diesen Beruf nur machen kann, wer das auch wirklich und bis über die eigene Belastungsgrenze hinaus möchte.

PsychotherapeutInnen in Ausbildung (PiA) haben ein abgeschlossenes Studium und werden als AkademikeIinnen in Deutschland in einer „postgradualen Ausbildung“ ausgebeutet. Wir fallen in alle erdenklichen Gesetzeslücken, haben keinen sozialrechtlichen Status und keinen Anspruch auf Bezahlung, Urlaub, Mutterschutz, eine normale Krankenversicherung etc. Zusätzlich müssen wir unsere Ausbildung selbst bezahlen (zwischen 15.000,- und 80.000,- € Ausbildungskosten), das Geld dafür müssen wir privat aufbringen, entweder durch Eigenkapital (wer hat das schon nach einem Studium und zu Beginn der eigenen beruflichen Laufbahn?), durch einen Kredit (verschuldet in den Beruf starten), durch wohlhabende(re) Angehörige oder durch zusätzliche Nebenjobs, was die Ausbildungsdauer zusätzlich verlängert und eine enorme Belastung bedeutet.

Jens Spahn ist der dritte Gesundheitsminister, der uns eine Reform verspricht und an dieser Reform bastelt. Tatsächlich gibt es jetzt, nach über 15 Jahren Protest, einen Kabinettsentwurf. So weit waren wir noch nie. So nah war das Ende der Misere noch nie. Oder?

Der Kabinettsentwurf enthält viele Punkte, die der Berufsstand sich gewünscht hat und die ich als sinnvoll erachte: Ein Approbationsstudium, zugeschnitten auf die spätere Tätigkeit (ich habe mich durch mein Psychologiestudium allenfalls auf die Diagnostik vorbereitet gefühlt!), das den AbsolventInnen einen sozialrechtlichen Status verleiht und die rechtlich abgesicherte Möglichkeit, PatientInnen zu behandeln, ohne dabei Gefahr zu laufen, nur halblegal zu arbeiten; eine Regelung, die die stationäre Weiterbildung nach dem Studium so ausgestaltet, dass wir einen echten Arbeitsvertrag bekommen und sogar Geld verdienen.

Die Ausbildungsinstitute, die uns die Organisation vereinfachen und die Ausbildung aus einer Hand anbieten, werden als Weiterbildungsinstitute weiter bestehen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber der Facharztweiterbildung für PsychosomatikerInnen und PsychiaterInnen in Deutschland, die sich alles selbst zusammensuchen müssen und keine Bezugskohorte haben, in der sie sich entwickeln und heimisch fühlen können.

Es gibt jetzt – im Unterschied zum Referentenentwurf vom Jahresanfang – sogar die Möglichkeit für diejenigen, die schon ein Psychologie- oder (Sozial-)Pädagogik-Studium begonnen haben und TherapeutInnen werden wollen, in den neuen Studiengang zu wechseln.

Und trotz all dieser positiven Aspekte gibt es da auch noch ein dickes Problem. Die jetzigen PiA, die, die seit Jahren protestieren, auf die Straße gehen, Gespräche mit PolitikerInnen führen, Unterschriften sammeln, Petitionen einreichen, sie werden nichts davon haben. Wir dürfen unsere Ausbildung nach den bisherigen Regelungen beenden (innerhalb von 12 Jahren, was für die analytische Ausbildung zu kurz ist) und unseren Titel behalten.

Spahn sagte Anfang März während einer Podiumsdiskussion in Dresden dazu:

„Am Ende muss es halt bezahlt werden. Und deswegen nehme ich das gerne noch mal mit, aber ich sage jetzt nichts zu; was nützt es euch denn, wenn ich euch jetzt für den Applaus zusage ‚Jo, ihr habt recht, die PiA finanzieren wir auch‘ und wenn ich dann in Berlin bin erinnere ich mich nicht mehr daran. (…) Dann bin ich lieber ehrlich und sage: In dem Finanzrahmen, den wir jetzt gerade haben für die PT-Ausbildung, und der ist schon ein dreistelliger Millionenbetrag durch die Neuerung, ist das im Moment nicht drin.“

Das bedeutet zwölf weitere Jahre, Tausende PiA, die das Pech haben, zu früh dran zu sein und deswegen diesen Missstand weiter ertragen zu müssen. So wird man früh als angehende PsychotherapeutIn daran gewöhnt, dass man der Politik und den Kassen immer zu teuer ist, dass unsere Arbeit nicht in Relation gesetzt wird zu dem gesamtgesellschaftlich-volkswirtschaftlichen Nutzen, den wir erbringen.

FunktionärInnen der Berufsverbände sagen hinter verschlossenen Türen, dass es halt keine andere Möglichkeit mehr gebe, dass man sich damit jetzt abfinden müsse, und dass wir die große Reform nicht dadurch in Gefahr bringen dürften, dass wir jetzt noch eine „kleine Lösung“ für uns einforderten, oder sie stellen gleich infrage, dass die Probleme der PiA lösbar seien.

Liebe FunktionärInnen, liebe PolitikerInnen, wir fordern seit über 15 Jahren Änderungen für uns – und wir werden jetzt nicht aufgeben. PiA sind darauf trainiert, sich durchzubeißen.

Deswegen fordern wir:

  • Maßnahmen zur sofortigen Verbesserung der jetzigen Psychotherapeutenausbildung:
    • Festlegung des arbeits- und sozialrechtlichen Status von PiA für alle Ausbildungsabschnitte, inklusive einer rechtssicheren Berufsbezeichnung.
    • Angemessene Bezahlung der PiA, orientiert an ihrer akademischen Qualifikation über alle Ausbildungsabschnitte, auch vor dem Hintergrund eigenständig erbrachter Versorgungsleistungen von PiA.
    • Garantie eines Schutzstatus für PiA, die sich aktuell in Ausbildungsstätten befinden und ihre Ausbildung abschließen können müssen, auch wenn die jetzigen Ausbildungsinstitute aus ökonomischen, organisatorischen oder sonstigen Gründen eine vorzeitige Abkehr von der aktuellen Ausbildung nach dem PsychThG von 1998 beabsichtigen.
    • Für die Phase des Übergangs von alter PsychotherapeutIinnenausbildung (PsychTh-AprV 1998) zu reformierter Aus- und Weiterbildung (neues PsychThG) müssen Regelungen gesetzlich verankert werden, wenn PiA und PiW im Rahmen der Übergangsphase gleichzeitig, beispielsweise in der stationären Versorgung tätig werden. Diese Regelungen müssen sowohl die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung, die Vergütung der PiA bzw. PiW als auch die Kriterien der Mitgliedschaft in den PsychotherapeutInnenkammern beinhalten.
    • Angelehnt an die Ausbildung der Heilmittelerbringer muss eine Schulgeldfreiheit eingeführt und die Inanspruchnahme weiterer staatlicher Förderungen ermöglicht werden.
    • Angemessene Übergangszeiten zwischen der jetzigen Aus- und der zukünftigen Weiterbildung: 12 Jahre sind hier aus einer Vielzahl von Gründen einfach zu kurz. Man bedenke, um nur einige Punkte zu nennen: Familienplanung, die Pflege Angehöriger, die Erstellung einer Dissertation, die analytische Ausbildung, die länger dauert.

Diese Forderungen werden wir in Gesprächen in allen Gremien und mit PolitikerInnen vertreten und mit unserem Protest auf die Straße tragen.

Ausführlichere Stellungnahmen der PiA (von der Bundeskonferenz PiA, dem PiA-Politik-Treffen, diversen PiA-Protest-Gruppierungen) finden sich auf https://piapolitik.de/treffen/ausbildungsreform/.

Die Forderungen des bvvp, die unter Mitarbeit des Jungen Forums entwickelt wurden, finden sich hier: http://bvvp-bayern.de/aktuell/


04.03.2019

PiA = PsychotherapeutInnen in Aufruhr: Ein imaginärer Dialog

Seit 2012 tagt das PiA-Politik-Treffen halbjährlich in Berlin oder in Frankfurt, um den Interessen und dem Reformwillen der PiA eine Stimme zu verleihen. Es werden bundesweit Protestaktionen initiiert und diese durch Pressearbeit begleitet. Stellen Sie sich nun vor, Sie stießen eines Tages auf dem Weg durch die Stadt auf einen PiA-Flashmob und sprechen eine Aktivistin an, fragten Sie voller Neugier, worum es bei dieser Aktion genau ginge. Sie gibt gerne Auskunft, und es entspinnt sich ein Gespräch:

– „Wie bitte?“, würden Sie vielleicht fragen, „wenn ich diesen Beruf erlernen wollte, könnte mir niemand verbindlich sagen, was die Zugangsvoraussetzungen sind, da die neuen Studienabschlüsse nach der Bologna-Reform gar nicht im geltenden Gesetz aufgeführt sind. Das klingt ja sehr kompliziert.“

– „Und PiA werden von Kliniken ausgebeutet? Sie bekommen als Diplomierte und Master-Absolvent*innen für ihre Tätigkeit häufig keine oder sehr wenig Vergütung? Aber wie kann das denn sein? – Und die Ausbildungszeiten im Krankenhaus sind durch kein Gesetz geregelt, das den PiA einen arbeitsrechtlichen Status geben würde? Das würde ja bedeuten, würden Sie vielleicht schlussfolgern, dass sie der Willkür des Marktes völlig ausgeliefert sind: Billige und gut ausgebildete Arbeitskräfte, die die tariflich bezahlten Stellen für PsychologInnen auf Station überflüssig machen. Und Ihr Fazit wäre: „Na, das ist für die Klinik ja äußerst praktisch – und zusätzlich zahlen PiA auch noch alle ihre Ausbildungsgebühren aus der eigenen Tasche? Die armen Eltern! Das scheint ja ein Beruf für verzichtsbereite und fleißige Idealisten mit
Privatsponsor zu sein.“

– „Verstehe“, würden Sie weiterhin sagen, „Eure Not ist so groß, dass Ihr sie auf die Straße hinausschreien wollt. Ganz schön unbequem für alle Verantwortlichen, wenn Ihr Eure Ausbeutung so deutlich sichtbar macht … Ihr hofft also auf die Reform des Psychotherapeutengesetzes? Hoffentlich wird das neue Gesetz Eure Probleme dann auch tatsächlich lösen.“
Vielleicht würden Sie noch weiterfragen, würden wissen wollen: „Wozu braucht es überhaupt spezielle PiA-Politik, es gibt doch sicherlich auch etablierte PsychotherapeutInnen-Berufspolitik, kümmert die sich denn nicht auch um Eure Themen?“ – Und dann würden Sie verstehen, dass der Schwerpunkt vieler berufspolitisch Aktiver auf den Belangen der PsychotherapeutInnen liegt, die mit einer Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung niedergelassen sind, und dass die Themen der PiA in den Kliniken eher wenig Berührungspunkte mit diesem Tätigkeitsbereich haben, geht es doch hier um die Belange von Angestellten. Vermutlich würden Sie dann empfehlen: „Vielleicht solltet ihr dann auch bei der Gewerkschaft Unterstützung suchen! – Ach, das tut ihr schon? Sehr gut, davon profitieren dann ja sicherlich auch alle angestellten PsychotherapeutInnen …“, würden Sie laut überlegen und würden dann Sie sicher sehr überrascht sein über das, was Sie zu hören bekämen: „Wie bitte? – Eure approbierten KollegInnen verdienen zum Teil noch an dieser Form der ausbeuterischen Ausbildung?! Das macht es natürlich nicht leichter, gemeinsam an einer Veränderung der Bedingungen zu arbeiten!“, würden Sie ausrufen und uns wünschen: „Hoffentlich findet Ihr dennoch ausreichend Unterstützung!“ Und dann hätten Sie noch eine Idee: „Was ist denn mit den Kammern?“, würden Sie nachfragen. – „Ach, die Belange der PiA liegen nicht in deren Aufgabenbereich. Aber ihr engagiert euch doch bestimmt für bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten? Ja? Na, das klingt gut. Letztlich profitiert doch der gesamte Berufsstand, wenn die Ausbildungsbedingungen gut sind. Dann
haben die Berufseinsteiger Zeit und Kraft, sich auch fachlich mit ihren neuen Ideen einzubringen.“

Und dann würde Ihnen noch eine wichtige Frage einfallen: „Wie setzt sich denn Euer Berufsverband für euch ein? – Was, Ihr habt gar keinen eigenen Berufsverband? – Ihr habt viele, nur keinen Dachverband, der verbindlich für den ganzen Berufsstand sprechen kann? – Verstehe, deshalb gibt es nun also dieses PiA-Politik-Treffen.“

„Ich vermute, dass es der Berufsstand der PsychotherapeutInnen schwer hat, sich im Gesundheitssystem zu behaupten. Da hilft es natürlich, wenn man an einem Strang zieht. Ich hoffe, dass es euch auf dem Treffen auch weiterhin gelingt, sich untereinander abzustimmen!“ – Und Sie würden sich freuen zu hören, dass der Reformprozess zumindest anläuft und es nun vor allem um inhaltliche Details geht. „Das klingt nach einer neuen Herausforderung“, würden Sie sagen, „die Ihr meistern müsst, damit das Reform-Ergebnis zum Schluss ein Gutes ist!“ Und dann würden Sie uns zurufen, was wir einander auch immer wieder sagen in diesem langen Kampf um gerechte Ausbildungsbedingungen: „Bleibt dran!“


Wenn Sie uns das auch zurufen, machen Sie mit, informieren Sie sich unter: www.piapolitik.de. Tragen Sie sich gern auch in unseren Newsletter ein, um Einladungen und Protokolle zugesandt zu bekommen: piapolitik.de/kontakt. Kontakt: info@piapolitik.de.


11.02.2019

Referentenentwurf zum Psychotherapeutenausbildungs-reformgesetz: Grundsätzliche Zustimmung bei viel Nachbesserungsbedarf

Er hat, wie Sie sicherlich gelesen haben, die unterschiedlichsten Meinungen und Kontroversen ausgelöst: Der Referentenentwurf zum Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 3. Januar 2019 vorgelegt hat.
Der Entwurf erscheint uns aber geeignet, die dringend benötigten Änderungen bezüglich des PsychThG auf den Weg zu bringen. Wir begrüßen, dass als grundlegende Struktur ein zur Approbation führendes Studium mit anschließender Weiterbildung vorgesehen ist. Sehr gut ist auch, dass die bisher bewährten Ausbildungsinstitute zukünftig als Weiterbildungsinstitute vorgesehen sind. Den im Entwurf formulierten Weiterbestand des Wissenschaftlichen Beirates begrüßen wir, da dies eine Verbindung zwischen Ärzten und PP/KJP-Psychotherapeuten bezüglich der gemeinsamen Versorgung unserer Patienten sichert.
Begrüßt wird auch, dass nun die Feststellungen des Wissenschaftlichen Beirats zur berufsrechtlichen Zulassung eines Verfahrens gleichzeitig auch die sozialrechtliche Zulassung bedeuten soll. Die bisher doppelte Verfahrensprüfung (berufsrechtlich durch den Wissenschaftlichen Beirat, sozialrechtlich durch den Gemeinsamen Bundesausschuss) könnte somit entfallen. Rechtlich völlig geklärt ist das aber noch nicht.

In einigen Punkten erfüllt der Entwurf aber auch überhaupt nicht unsere Erwartungen. Die Liste unserer Argumente und Kritikpunkte können Sie in unserer offiziellen Stellungnahme (Verlinkung auf Dokument unter Unsere Positionen in Interessenvertretung) nachlesen, die unser Vorstandreferent für den Bereich Ausbildung, Robin Siegel, in unserem Namen erstellt und am 4. Februar in der Anhörung im Bundesgesundheitsministerium erläutert hat.

Ein Knackpunkt: Die Bestimmungen zur Finanzierung der ambulanten Weiterbildung.
Während der stationäre Teil der Weiterbildung wohl ausreichend finanziert werden kann, sind die im Entwurf enthaltenen Bestimmungen hierzu nicht ausreichend. Der Entwurf sieht zwar vor, dass die zukünftigen Weiterbildungstherapien analog der Vergütung der bisherigen Ausbildungstherapien vergütet werden sollen, also so wie die Therapien in den Praxen der Niedergelassenen. Dies reicht aber bei Weitem nicht aus, um eine ambulante Weiterbildungsphase mit einer angemessenen Vergütung der Weiterbildungsteilnehmer realistisch umzusetzen. Die reinen Entgelte der Psychotherapeuten in Weiterbildung aus deren Behandlungsleistungen reichen nicht aus, um alle Kosten der Weiterbildungskandidaten finanzieren zu können. Die Kosten für die Weiterbildungsambulanzen, die dann ja zukünftig die Rolle eines Arbeitgebers gegenüber den Weiterbildungsteilnehmern haben, können durch die erbrachten Behandlungsleistungen der Weiterbildungsteilnehmer nicht gegenfinanziert werden. Anfallende Kosten z.B. für Personalverwaltung, Räumlichkeiten und insbesondere für die Supervision, Selbsterfahrung und den theoretischen Unterricht der Weiterbildungsteilnehmer können durch die im Entwurf vorgeschlagene Finanzierung nicht abgedeckt werden. Für diese Kosten muss der Gesetzgeber weitere Finanzierungsmöglichkeiten schaffen, um die finanziellen Bedingungen der zukünftigen Weiterbildungskandidaten wirklich zu verbessern, was ja ein zentrales Ziel des Reformvorhabens ist!

Ich will aber heute noch zwei weitere Punkte rausgreifen, die derzeit für große Diskussionen sorgen: Diese betreffen die Fragen nach der Berufsbezeichnung und die Kontroverse um die Legaldefinition – also um die Frage, was darf der Psychotherapeut wozu und womit. Auch bei der Berufsbezeichnung sehen wir Änderungsbedarf. Der Entwurf definiert die Berufsbezeichnung zur Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie nach der Approbation mit „Psychotherapeut/in“. Ärztinnen und Ärzte dürfen laut Gesetzesentwurf die Bezeichnung mit dem Zusatz „ärztlich“ verwenden. Wir schlagen vor, dass Ärztinnen und Ärzte die Bezeichnung auch mit dem Zusatz „ärztlich“ bzw. „fachärztlich“ verwenden dürfen. Der Zusatz fachärztlich wäre dann zu verwenden, wenn Psychotherapie ein Teil der Facharztausbildung darstellt, der Zusatz „ärztlich“ für andere Ärzte mit Zusatztitel zur näheren Kennzeichnung.
Die Berufsbezeichnung wird in unserem gemischten Berufsverband absehbar für intensive Diskussionen sorgen, aber auch in weiten Teilen der Ärzteschaft. Einige Ärzteverbände und auch die Bundesärztekammer haben den Entwurf bereits rundweg abgelehnt.

Auch über die Legaldefinition wird sehr engagiert diskutiert. Der Referentenentwurf hält weitgehend an der bisherigen Definition fest, führt aber mit „Therapieformen“ einen sehr unbestimmten und unklaren Begriff neu ein:
„Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter und auf Evidenz geprüfter psychotherapeutischer Therapieformen vorgenommene berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“
Diese enge Definition unserer Tätigkeit ist schon länger umstritten, da sie im Grunde genommen alle berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit zur Erforschung und Erprobung neuer Methoden ausschließt. Schon die Durchführung von Psychotherapeutischen Sprechstunden und Akutbehandlung kann mit einer engen Auslegung dieser Definition kritisch gesehen werden, da unsere Tätigkeit ja ausschließlich auf die Berufsausübung mittels der Richtlinienverfahren beschränkt ist. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat deshalb eine offene Formulierung der Legaldefinition vorgeschlagen: „Ausübung von Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung von psychischen Erkrankungen sowie zur Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“
Nach gründlicher Überlegung haben wir uns diesem Vorschlag angeschlossen, da diese Formulierung die Psychotherapeuten nicht mehr per Gesetz auf bestimmte Mittel oder Verfahren beschränkt, sondern ihre Heilkundeerlaubnis ähnlich den anderen Heilberufen regelt. (z.B. Bundesärzteordnung §2(5): Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung “Arzt” oder “Ärztin”.)
Es gibt aber auch in unserem Verband andere Sichtweisen zu der offenen Legaldefinition. Befürchtet wird, dass mit dem Wegfall der Beschränkung der Berufsausübung auf die Richtlinienverfahren einer Beliebigkeit und Willkür in der Berufsausübung Tür und Tor geöffnet würde.
Wir halten diese Sorge einerseits für nachvollziehbar, andererseits glauben wir aber nicht, dass durch eine enge Legaldefinition die Richtlinienverfahren, insbesondere die psychodynamischen, wirklich geschützt werden. Der Referentenentwurf zeigt das eindrücklich: Dort ist die enge Legaldefinition beibehalten, aber ansonsten wird nirgends das festgeschrieben, was wir bezüglich der Erhaltung der Verfahrensvielfalt fordern, nämlich die Lehre der Verfahren in ihren Grundzügen schon im Studium. Wir halten dies für den weitaus wichtigeren Schutz der Richtlinienverfahren! Einen weiteren Schutz sehen wir in der Erhaltung des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie, der ja nun auch für die Anerkennung der sozialrechtlichen Berufsausübung zuständig sein soll. In der Berufsausübung wird damit berufs- wie auch sozialrechtlich dem befürchteten Wildwuchs mit hoher Beliebigkeit entgegengewirkt.
Zur Erhaltung der Richtlinienverfahren in der Berufsausübung sehen wir nicht eine enge Legaldefinition, sondern die sichere Verankerung der Grundlagen der Verfahren im Studium und die Rolle des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie als unabdingbar an. Klare diesbezügliche Definitionen und Vorgaben im Gesetz halten wir für zielführender als die enge Legaldefinition, die auch mit schwierigen Einschränkungen unserer Berufsausübung einhergeht. Unabhängig von jeder Legaldefinition wird unsere Berufsausübung im Übrigen auch von weiteren Regelungen beschränkt, so z.B. durch das SGB V und unsere Berufsordnungen. Auch da sollten wir immer einen kritischen Blick behalten, was die Regelungen unserer Berufsausübung betrifft.

Uns ist bewusst, dass man dieses Thema sehr kontrovers diskutieren kann, wir laden alle ein, das mit uns zu tun.


04.02.2019

Mein Weg zur Kassenärztlichen Zulassung

Wie geht es für mich weiter nach der Approbationsprüfung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin? Diese wichtige Frage stellte sich auch mir im April 2017. Eines war klar: Ich möchte in einer ambulanten Praxis arbeiten. Aber wie? Wo? Alleine oder gemeinsam mit anderen? Klar war auch, dass ich nicht sonderlich flexibel bezüglich meines künftigen Arbeitsortes war und für meine Arbeitsortsuche nur einen Umkreis von höchstens 40 km vom Wohnort in Betracht ziehen wollte.
Zunächst verschaffte ich mir u.a. auf den bvvp- Praxisbörsen und in Gesprächen mit mir bereits bekannten niedergelassenen VertragspsychotherapeutInnen frühzeitig einen Überblick, welche Kassensitze in meiner näheren Umgebung frei waren oder dem demnächst frei würden und welche Anstellungs- oder Jobsharingmöglichkeiten angeboten wurden.
Leider wurde recht schnell klar, dass Angebote nach meinen Bedürfnissen nur sehr begrenzt zur Verfügung standen, in zeitlich weiter Ferne lagen oder nach der ohnehin teuren Ausbildungszeit eine erhebliche finanzielle Herausforderung bedeuten würden.
Ich entschied schließlich relativ spontan kurz vor der Approbationsprüfung, mich zunächst in einer Privatpraxis an meinem Wohnort niederzulassen. Der Praxisort bot sich aus verschiedenen Gründen an: Im Ort lebten ca. 16.000 Einwohner, ich hatte bereits Eigentums-Praxisräume zur Verfügung und es gab bisher noch keine/n Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in im Ort. Hinzu kam, dass ein großer Softwarekonzern seinen Hauptsitz am Praxisort hatte, von dem ich wusste, dass viele der Angestellten und somit auch sicher ein Teil von deren Kindern privatversichert waren.
Für die Gründung meiner Privatpraxis orientierte ich mich am Leitfaden der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Es bedurfte keines großen Aufwands die Praxis zu gründen und im Juni 2017 zu eröffnen.
Bereits nach wenigen Monaten wurde der hohe Versorgungsbedarf vieler Kinder und Jugendlicher in meinem Praxisort klar. Es meldeten sich nicht nur Privatversicherte, sondern verstärkt auch gesetzlich Versicherte, die sehr verzweifelt auf der Suche nach einem zeit- und ortsnahen Therapieplatz waren. Nach dem ersten halben Jahr Praxisbetrieb hatte ich bereits über 60 Anfragen von gesetzlich Versicherten, obwohl mein Praxisort in einem (nach KV Zahlen) mit PsychotherapeutInnen nominell deutlich überversorgten Gebiet lag. Trotzdem wurde deutlich, dass die Region meines Praxisortes schlecht versorgt war, da sich die meisten PsychotherapeutInnen in der Region in der 25 km entfernten Großstadt niedergelassen hatten, es also dort eine „Ballung“ gab.
Ich entschied mich, u. a. nach Rücksprache mit einigen der wenigen Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in den Nachbarstädten, einen Antrag auf Sonderbedarf beim Zulassungsausschuss zu stellen, in der Hoffnung, dass ein neuer Kassensitz für den Praxisort geschaffen würde. Es gab keine zum Verkauf stehenden Praxissitze in der Nähe, die problemlos in meinen Praxisort hätten verlegt werden können.
Da es sich bei der zu behandelnden Zielgruppe um Kinder und Jugendliche handelte, war die ortsnahe Versorgung von großer Bedeutung. Anders als bei erwachsenen PatientInnen, wünschten sich die Familien mit ihren Kindern weniger Anonymität, sondern vielmehr eine unkomplizierte und von den Eltern unabhängige Erreichbarkeit des/der Therapeutinnen. Hinzu kamen Argumente wie lange Schulzeiten, familiäre Belastungen oder auch Störungsbilder, die eine größere Unabhängigkeit der Kinder und Jugendlichen von den Eltern forderten.
Mein Antrag wurde im Dezember 2017 vom Zulassungsausschuss zunächst abgelehnt, da der tatsächliche Versorgungsbedarf nicht ausreichend belegt werden konnte. Die Warteliste von gesetzlich Versicherten reichte nicht aus und es wurden Fakten und Belege in Form von anonymisierten Kostenerstattungsbescheiden gefordert, von der Anzahl her im „zweistelligen Bereich“.
Es folgte eine Phase, die davon geprägt war, Familien beim Stellen von Kostenerstattungsanträgen durch Aufklärung und Begleitung zu unterstützen. . Hierbei orientierte ich mich am Leitfaden für Kostenerstattung der BPtK. Je nach Krankenkasse wurden unterschiedlich schnell Bescheide für die Kostenübernahme im außervertraglichen Setting ausgestellt. Schließlich hatte ich im Sommer 2018 ausreichend viele Bescheide vorliegen und ich stellte erneut einen Antrag auf Sonderbedarf, der mir schließlich im Oktober 2018 bewilligt wurde.
Heute arbeite ich in meiner sehr gut ausgelasteten Praxis als Vertragspsychotherapeutin. Es gibt weiterhin großen Bedarf vor Ort, sodass ich sogar überlege, noch einen weiteren PsychotherapeutInnen anzustellen.
Nachahmern würde ich mit meinem heutigen Wissensstand raten, den Ort ihrer Niederlassung gut zu überdenken und gezielt nach regionalen „Versorgungslücken“ zu suchen. In meinem Fall hatte ich das Glück, dass meine persönlichen Wünsche mit dem örtlichen Versorgungsbedarf übereinstimmten. Davon kann jedoch nicht automatisch ausgegangen werden. Der Übergang zur Vertragsarztpraxis via Privatpraxis war für mich insofern hilfreich, dass über den gesicherten Verdienst durch die Privatpraxis die Vorbereitung des Sonderbedarfsantrags (Bsp.: Kostenerstattungsbescheide sammeln, Örtlichkeit einrichten, Netzwerken und ggf. Unterstützung durch Dritte organisieren …) möglich wurde. Schwierig auszuhalten für mich war jedoch in dieser Zeit die Unsicherheit, ob der Sonderbedarfsantrag angenommen und genehmigt würde oder ob alle meine Bemühungen erfolglos bleiben würden.


15.11.2018

Zweiundneunzig/Sechs – raus aus dem Gesetz. Kommentar zur Petition des bvvp gegen das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Er hat es wieder getan. Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister und selbsternanntes politisches Allroundtalent der CDU hat den nächsten Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. In Manier der großen Hollywood-Actionhelden verkündete er nach seiner Ernennung zum Minister, er werde sich die einzelnen Bereiche des Gesundheitswesens vornehmen. Getreu seinem Wahlkampfmotto „Zeit für Taten.“ – Immerhin, er hält Wort.

Nun nimmt er sich also die ambulante psychotherapeutische Versorgung vor und bringt das TSVG ein. Die Einleitung des Referentenentwurfes liest sich sehr interessant. Da ist unter der Überschrift „Problem und Ziel“ noch die Rede davon, „dass der Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung angemessen und flächendeckend sichergestellt“ sein müsse.

Unter den zahlreichen Änderungen und Hinzufügungen zum SGB V findet sich dann unter der Nummer 51 fast schon versteckt folgender Absatz:

„Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien Regelungen für eine gestufte und gesteuerte Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung einschließlich der Anforderungen an die Qualifikation der für die Behandlungs-steuerung verantwortlichen Vertragsärzte und psychologischen Psychotherapeuten.“



Hier ist in schmale Worte eine absolute Dreistigkeit verpackt worden. Nicht der behandelnde Therapeut entscheidet zukünftig, ob der Patient eine psychotherapeutische Versorgung erhält, sondern vom GBA noch zu benennende „Verantwortliche“. Kurzum: Der Minister macht den Zugang zur Psychotherapie so schwer wie möglich! Das ist ein klarer Angriff auf die freie Arztwahl! Herr Spahn, ES REICHT!!

Dieser Zusatz zu § 92 Abs. 6a SGB V muss weg!



Unterstützen Sie uns und zeichnen Sie die Petition! Ganz bequem online |hier| oder drucken Sie sich analog die Unterschriftenliste |hier| aus und schicken Sie sie an uns zurück.

Jede Unterschrift zählt. Hier können wir etwas bewegen. Es gibt erste ermutigende Ergebnisse. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hat sich bereits für eine Streichung dieser Passage im Gesetz ausgesprochen.

Wir dürfen jetzt nicht lockerlassen!!!


17.10.2018

Was ist eigentlich … der (Orientierungs-) Punktwert?

Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) wurden die abrechnungsfähigen ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Leistungen lange nicht mit der Angabe eines Euro-Preises gelistet, sondern nur mit Bewertungspunktzahlen, die die Relationen der Leistungen zueinander ausdrücken sollten. Diese Punktzahlen wurden dann in der jeweiligen KV multipliziert mit dem regionalen Punktwert, und das ergab den regionalen Preis der Leistung.

Seit 2009 gibt es den bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert, und seitdem wird im EBM neben der Punktzahl auch der bundesweit gültige Euro-Preis gelistet.

Für die Ermittlung der Vergütungshöhe der einzelnen Leistungen werden also die Punktzahlen mit dem Orientierungspunktwert multipliziert. Der Orientierungspunktwert, der auf Bundesebene jedes Jahr zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband der Krankenkassen neu verhandelt und vom (Erweiterten) Bewertungsausschuss festgelegt wird, gibt den Cent-Wert für einen Punkt an. Dieser liegt derzeit bei 10,6543 Cent. Als Beispiel ergibt sich für eine probatorische Sitzung mit 621 Punkten eine Vergütung von 66,16 Euro (621 Punkte x 10,6543 Cent = 6616,3203 Cent – in Euro-Betrag umgewandelt ergeben sich 66,16 Euro).

Für 2019 wurde der OPW ganz aktuell mit einem Anstieg von 1,6 % verhandelt und liegt damit bei 10,8226 Cent. Entsprechen steigt die Vergütung jeder psychotherapeutischen Leistung um 1,6 %. Die Erhöhung soll übrigens die allgemeinen Preissteigerungen abbilden, aber nicht eine verbesserte Vergütung der Arztminute bewirken.

Es wäre schön, wenn alle Leistungen nun auch tatsächlich zu diesen Euro-Preisen vergütet würden. Viele Leistungen werden aber aus der sogenannten Morbiditätsabhängigen Gesamtvergütung MGV bezahlt. Hier gibt es für jede Fachgruppe einen Facharzttopf, in den eine bestimmte Honorarsumme eingestellt ist. Werden nun mehr Leistungen angefordert, als Honorar zur Verfügung steht, dann werden diese Leistungen der Fachgruppe nur noch quotiert vergütet. Das bedeutet, dass bei zunehmender Abrechnungsmenge die Vergütung im Sinne einer Abstaffelung sinkt. Die davon betroffenen Leistungsziffern unterliegen also der sogenannten Budgetierung. Für die betroffenen Ziffern lässt sich erst am Ende des Abrechnungszeitraums sagen, wie hoch die Leistung vergütet wird.

Im psychotherapeutischen Bereich werden jedoch nahezu alle Leistungen extrabugdetär, also außerhalb der gedeckelten MGV vergütet – d.h. sie unterliegen nicht der eben erwähnten Mengenbegrenzung und werden 1:1 entsprechend der oben aufgeführten Multiplikationsrechnung als Einzelleistungen zur Euro-Gebührenordnung von der Krankenkasse vergütet.

Zu den nicht extrabudgetären und damit in den meisten KVen quotierten „Restleistungen“ der Psychotherapeuten zählen die Grundpauschalen, Tests, Berichte an den Gutachter, die Ziffern 35140 und 35141, übende Verfahren, die Samstagsziffer und auch die Pauschalen zur Förderung der fachärztlichen Grundversorgung. Die Gesprächsziffern sind hingegen noch bis Ende 2018 ausbudgetiert.

Ausbudgetiert sind alle Antragspflichtigen Leistungen, die Probatorik sowie die neuen Leistungen Psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlung.

Es soll hier aber noch erwähnt werden, dass es KVen gibt, die alle Leistungen voll vergüten, weil sie die Psychotherapeuten unterstützen wollen, die immer weit abgeschlagen am unteren Ende der Umsatztabelle stehen.


05.10.2018

Zusammen sind wir weniger allein: Warum PiA-Vernetzung wichtig ist

Mich hat es in meiner praktischen Tätigkeit über so manchen fiesen Moment hinweg getragen, zu wissen, dass da noch andere sind, die in der gleichen Situation sind oder waren und die solidarisch mit mir der Meinung sind, dass es anders sein sollte. Über viele Themen können wir uns in Emaillisten und auf Facebook austauschen – über Unklarheiten und Fragen zur Auswahl des Instituts oder der Prüfungsvorbereitung, über Erfahrungen an den Kliniken oder notwendigen Intervisionsbedarf. Für die deutschlandweit verstreuten PiAs, die vielleicht an ihrer Klinik oder auf ihrer Station die/der Einzige sind, entsteht so wieder eine Art Gefühl von Community, fast wie eine Klassengemeinschaft.

Wenn ich mich wiederholt um 5.00 Uhr morgens nach einer viel zu kurzen Nacht aus dem Bett gequält habe, um mit schwer depressiven Patienten zu arbeiten (die genauso wenig schlafen wie ihre PiA-Behandlerin), dann hat es mir auf eine sinngebende Art und Weise geholfen, mich dafür einzusetzen, dass diese Verhältnisse sich ändern. Zwar arbeitet derzeit vor allem die Politik an der Veränderung der Ausbildungssituation – aber das auch nur, weil sie jahrelange Proteste von PiA und Psychologie-Studierenden immer wieder an die Notwendigkeit erinnert haben. Diese Proteste sind aus dem Unmut entstanden, den wir mit uns herumtragen müssen, und aus der Vernetzung, z.B. in einem PiA Forum (Berlin) oder bei verdi (Hamburg) und auch mit der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo). Dabei ist es immer wieder frustrierend zu merken, dass das Engagement entweder nur hinter verschlossenen Verhandlungstüren zum persönlichen Erfolg führt (wie bei einigen PiA, die dagegen geklagt haben, dass sie kein Gehalt bekommen) oder das Engagement sich erst so langfristig auszahlt, dass es einem selbst vermutlich nichts nutzt. So wie bei den Initiatorinnen des PiA-Politik-Treffens und den PiA, die in der Bundeskonferenz PiA der BPtK, kurz BuKo und als BuKo-Sprecher aktiv waren. Dennoch – von diesen beiden PiA-Zusammenschlüssen sind Stellungnahmen erarbeitet worden, die mit zunehmendem Interesse auch von der Politik aufgegriffen wurden. In Zeiten, in denen PiA noch in den wenigsten Berufsverbänden als Zielgruppe wahrgenommen wurden, haben wir uns schon für unsere Interessen eingesetzt, und das zeigt Wirkung. Inzwischen haben viele der Berufsverbände das Thema auch für sich entdeckt. Der bvvp setzt sich seit langer Zeit schon für eine Verbesserung der Bedingungen ein. Ganz aktuell wurde im bvvp außerdem das Junge Forum geschaffen, das auch an der Ausgestaltung der Ausbildungsreform mitarbeitet.

Besonders schön war für mich persönlich die über das PiA-Politik-Treffen organisierte Petition für PiA – die Welle der Solidarität von Passanten, die einem entgegenkommt, wenn man Unterschriften dafür sammelt, dass man in Zukunft nicht mehr als Akademikerin für einen Hungerlohn psychisch kranke Menschen behandeln muss. Es ist auf eine traurige Art schön, die eigene Erschütterung und Fassungslosigkeit auch bei anderen Menschen zu spüren. Sie reagierten oft anders als viele Menschen, die im Gesundheitssystem fest verankert und dadurch oft für die täglichen Nöte der PiA unempfindlich geworden sind. Für diese Momente der Menschlichkeit – und dieses Gefühl von Solidarität lohnt sich die Vernetzung mit anderen PiA – und langfristig dann hoffentlich auch, weil sie eine bessere Ausbildung und bessere Bedingungen für uns schaffen kann.


01.10.2018

Zur Psychotherapie fremdsprachiger Patienten ohne Dolmetscher

Meine These: Die Arbeit mit Patienten aus verschiedenen Kulturen ist herausfordernd und bereichernd zugleich. Sie fungiert als Vorbild für Integration und Gastfreundschaft und hat somit besondere gesellschaftliche Bedeutung.

Die Diskussionen um Patienten, die unsere Sprache nicht sicher sprechen, haben infolge des Flüchtlingszustroms 2015 deutlich zugenommen. Viele Kollegen verlangen als Voraussetzung für die Behandlung nach Dolmetschern bzw. lehnen bestimmte Sprachmittler aufgrund des Verstrickungspotentials direkt ab. Tatsächlich ist die Arbeit mit fremdsprachigen Patienten herausfordernd – unsere beruflichen Routinen stehen uns nur eingeschränkt zur Verfügung. Und gerade in der Psychotherapie ist die Sprache elementar.

Dazu kommen Vorbehalte gegenüber der Behandlung komplexer Traumafolgestörungen (hohes Anforderungsniveau, langwierig, viel Vernetzung erforderlich, auch für den Therapeuten belastend…). Das verursacht Verunsicherung. Aber wer, wenn nicht wir sollte sich dem aussetzen?

Wie soll das gehen?

Für Psychotherapie ausgebildete Dolmetscher stehen kaum zur Verfügung. So ist es zunächst eine niedrigschwellige Lösung, Familienangehörige oder Bekannte mit besseren Sprachkenntnissen dazu zu laden. Das birgt aber viel Verstrickungspotenzial. Meine Erfahrung ist hier: auch eine komplett dolmetscherfreie Psychotherapie ist möglich:

Erfahrungen in diesem Bereich begann ich während meiner Arbeit in der Akutpsychiatrie, Duisburg Marxloh, zu sammeln. Viele Patienten dort sprachen kaum Deutsch, Dolmetscher standen so gut wie nie zur Verfügung (wenn doch, wurde es oft auch nicht einfacher) und dennoch war klar, dass diese Patienten wie alle anderen psychotherapeutisch versorgt werden müssen. Also begann ich mir anders zu behelfen.

Inzwischen arbeite ich in eigener Praxis und schätze die Arbeit mit fremdsprachigen Patienten aufgrund ihrer Besonderheiten. Ich nehme diese selbst bei äußerst geringen Deutschkenntnissen in die Psychotherapie auf, solange eine noch ausreichend gute Prognose dies zulässt. Ein klares Vorgehen gibt es dabei nicht, wäre aufgrund der massiven individuellen Unterschiede wohl auch kaum zu definieren.

Viele Patienten können zumindest etwas Englisch oder Französisch oder einfachste Dialoge auf Deutsch führen. Es gibt gute und schnelle Übersetzungs-Apps, die bei einzelnen, wichtigen Fragen zu Rate gezogen werden können. Familienstammbäume können aufgezeichnet werden, Geburts- und Todesjahrgänge einzutragen ist in Zahlen immer möglich. Die Einladung von Angehörigen kann zurückhaltend, aber wiederholt genutzt werden.

Ein außerordentlich großer Teil der Behandlung findet nonverbal statt und ist auch tatsächlich nonverbal möglich. Allein durch das ehrliche Zugewandtsein, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit und das Bemühen um Verständnis erfahren die Patienten bereits wichtige Wirkfaktoren von Psychotherapie und in der Folge eine erste Entlastung. Das kann zudem eine erhebliche Motivation sein, schnellstmöglich das eigene Deutsch zu verbessern.

In diesem Zusammenhang sollten wir uns auch fragen: Wie lange ist der Patient schon in Deutschland? Wie lange dauert es, die deutsche Sprache zu beherrschen? Die Allermeisten können bereits innerhalb weniger Wochen immense Fortschritte erzielen. Gelingt dies nicht, gilt es zu hinterfragen, woran es scheitert. Eine Langzeit-Psychotherapie umfasst einen Zeitraum von mehreren Jahren. In diesem Zeitraum werden sprachliche Fortschritte in der Regel sichtbar und nutzbar.

Bitte haben Sie den Mut für diese Behandlungen!

Nehmen Sie gerne auch persönlich Kontakt mit mir auf. Infos unter www.psychotherapiedohm.de