Corona Gruppentherapie

Aktuelle Informationen zur Gruppentherapie in Zeiten von Corona

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

aus aktuellem Anlass möchten wir Sie über wichtige Aspekte zu Fragen der Realisierung von Gruppentherapie in Zeiten von Corona informieren. Die Mitglieder der Kompetenzgruppe Gruppenpsychotherapie des bvvp sind aktuell zu allen Aspekten im regen Austausch mit Vertretern der KBV und des GKV Spitzenverbandes.

Zur kurzfristigen Lösung der „Versorgungslücke“ für unsere Gruppenpatienten ist eine Veränderung der Psychotherapievereinbarung beschlossen worden:

Genehmigte Leistungen einer Gruppenpsychotherapie können übergangsweise in Einzelpsychotherapie umgewandelt werden, ohne dass hierfür eine gesonderte Antragstellung bei der Krankenkasse oder Begutachtung erfolgen muss. Diese Regelung gilt bis 30. Juni 2020. Die Umwandlung erfolgt über die „Therapieeinheit“ und muss lediglich formlos der Krankenkasse mitgeteilt werden (kein Formular notwendig).

Für je eine Therapieeinheit genehmigte Gruppentherapie (entspricht einer Sitzung mit 100 Minuten) kann bei Bedarf maximal je Patient der Gruppe eine Einzeltherapie (entspricht einer Sitzung mit 50 Minuten) durchgeführt und abgerechnet werden. Durch die Umwandlung von Gruppen- in Einzelsitzungen können im unmittelbaren persönlichen Kontakt Infektionsrisiken minimiert werden, wenn dies erforderlich ist. Ein weiterer Vorteil: Einzelsitzungen können auch in einer Videosprechstunde durchgeführt werden.

Beachten Sie hierzu auch die weiteren aktuell beschlossenen Erleichterungen, die Durchführung von Psychotherapeutischen Sprechstunden und probatorischen Sitzungen (auch neuropsychologische Therapie) zunächst bis zum 30.6. 2020 auch per Videobehandlung zuzulassen.

Grundsätzlich ist Gruppenpsychotherapie als notwendige Krankenbehandlung ein wichtiger Bestandteil ambulant psychotherapeutischer Versorgungsstruktur und sollte den Patienten auch und gerade in unsicheren Zeiten zur Verfügung gestellt werden.

In Psychotherapiegruppen finden für Patienten mit verschiedensten Störungsbildern und teils chronischen Erkrankungen wichtige psychische, haltgebende und mentalisierungsfördernde Prozesse statt, die für Symptomlinderung, Genesung und teilweise auch Überlebensfähigkeit des Einzelnen absolut notwendig sind. Es muss davon ausgegangen werden, dass die psychische Belastung von Patienten in laufenden Behandlungen steigt, verursacht durch eine Fülle von Faktoren. Die nun ablaufenden gesellschaftlichen Prozesse – unter anderem. temporäre „Verhinderung“ des sozialen, gesellschaftlichen Lebens, Separation und Isolation, vermehrte Konfrontation mit existenziellen Lebensthemen, räumliche Enge in Familien, erhöhtes Risiko für häusliche Gewalt – und den einander bedingenden primären sowie sekundären Folgen der Corona-Krise führen zu massiven psychischen Folgen bei unseren PatientInnen (erlebte Symptombelastung, vermehrt regressive, paranoid anmutende Prozesse, Produktion dysfunktionaler Denk- und Verhaltensmuster).Und die notwendige Aufarbeitung der psychischen Folgen der Krise wird unsere Praxen auch mittel- bis langfristig beschäftigen.

Uns allen ist klar, dass die aktuellen Geschehnisse besondere Herausforderungen für die Vielzahl jener niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen darstellen, die Gruppenpsychotherapien durchführen. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich, letztlich auch vor dem Hintergrund komplexer sozialrechtlicher Bezüge, noch keine abschließenden Antworten auf viele Ihrer rechtlichen Fragen geben, es wird aber an entsprechenden Lösungen im Sinne aller Beteiligten gearbeitet.

Die KBV empfiehlt in einer Mitteilung vom 16.März 2020, dass „aufgrund der aktuellen Pandemie mit SARS-CoV-2, Patienten nach Möglichkeit nur in medizinisch dringenden Fällen die Praxen aufsuchen“. Aus der Empfehlung der KBV ergibt sich kein aktuelles Verbot zur Durchführung von Gruppenpsychotherapien, es sollte aber zwischen Behandlern und PatientInnen ein Gespräch dazu geführt werden, unter welchen Voraussetzungen die therapeutische Arbeit stattfindet. Zudem hat uns die KBV auch nach der Regierungserklärung von Frau Merkel am vergangenen Sonntag explizit darauf hingewiesen, dass Gruppenpsychotherapie eine notwendige medizinisch-therapeutische Versorgungsleistung ist. Auch die Pressemitteilung der BPtK vom 20. März 2020 spricht von Fortführung psychotherapeutischer Arbeit Vis à Vis, sofern notwendige Vorsichts- und Hygienemaßnahmen eingehalten werden.

Für die Entscheidung, Gruppentherapien in der eigenen Praxis fortzuführen, können zum jetzigen Zeitpunkt folgende Maßnahmen empfohlen werden:

  1. Sichtbarer Aushang über Verhaltensmaßnahmen im Eingangsbereich und, bei KJP, entsprechende Informationen für Bezugspersonen der PatientInnen
  2. Vermeidung von Hand-/Körperkontakt
  3. Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Personen
  4. Sind bei Personen Infekt-/Krankheitszeichen bekannt, sollte von einer Teilnahme dieser PatientInnen abgesehen werden.
  5. Ausreichende Desinfektion von Oberflächen in den Praxisräumen
  6. Ggf. Überarbeitung des Gruppenkonzeptes. Insbesondere in Kindergruppen sollten Übungen, die nahen körperlichen Kontakt erfordern, unterlassen werden.

Vermutlich wird die Mindestabstandsregel bei manchen KollegInnen zum Ausschluss von Behandlungsräumen führen, die zu klein sind. Hier könnte theoretisch nach alternativen Raumangeboten Ausschau gehalten werden, ggf. auch im kollegialen, kreativen Austausch. Nach Rückmeldung der KBV bedarf dies, da es sich um offiziell gemeldete Praxisräumlichkeiten handelt, aber einer Abstimmung mit der jeweiligen Landes-KV bzw. deren Zustimmung, sodass diese Alternative sehr wahrscheinlich leider meist nicht umgesetzt werden kann.
Zudem sollten zur Vermeidung von Infektionen Gruppenmitglieder temporär ausgeschlossen werden, die

  1. kürzlich in einem sogenannten Risikogebiet waren
  2. mit Personen Kontakt hatten, die infiziert waren
  3. bei denen sich, bis zum Negativbefund einer Corona–Infektion, starke Symptome eines Infektes zeigen

Hilfreich können für die betroffenen PatientInnen versorgungsorientierte, individuelle Lösungen sein wie etwa Videosprechstunden. Sollten PatientInnen Gruppensitzungen aus anderen Gründen absagen, etwa aus Motiven der „Risikovermeidung“, empfehlen wir, aufgrund der besonderen Situation beim Ausfallhonorar kulante Regelungen zu treffen.
Wenn der Behandlungsraum relativ klein ist und die Gruppe groß, dann könnte man eine Teilung der Gruppe für einige Sitzungen in Erwägung ziehen. Dies ist allerdings eher bei störungsspezifischen Gruppen zu empfehlen.

Der weiter bestehende Ausschluss der Gruppentherapie aus der Videobehandlung wäre zu diskutieren, um hier kurzfristig dringende Lösungen pragmatisch vorzuhalten. Hierbei bedenken wir natürlich auch, dass es mit Beendigung der aktuellen Krise noch einer breiten Diskussion bedarf, welche Effekte sich mit videogestützter Gruppenpsychotherapie erzielen lassen, welcher Rahmen überhaupt angemessen erscheint und welche Qualitätsmerkmale dann erfüllt sein müssten. Grundsätzlich stehen nach unserem Kenntnisstand auf dem Markt der Videotherapieanbieter dafür geeignete Verfahren zur Verfügung, um zumindest für bis zu vier Teilnehmer nach Datenschutzrechtlichen Standards und mit KBV Zertifikat eine „Gruppen-Videotherapie“ durchzuführen.

Bei Fragen rund um Gruppentherapie und Corona haben wir zur Entlastung der Geschäftsstellen und zur schnelleren Beantwortung ein Formular online gestellt unter https://bvvp.de/corona-virus. Wir bitten Sie dringend, dieses Kontaktformular zu nutzen.

Alternativ können Sie Ihre Fragen dazu auch an die E-Mail-Adresse corona2020@bvvp.de schicken.

Im Namen des Vorstands und der bvvp Kompetenzgruppe Gruppenpsychotherapie

Yvo Kühn